Welchen Stellenwert hat Besitz in Zeiten zunehmender Digitalisierung?

Mein Beitrag zur #blogparade: „Lust oder Last: Wie viel Besitz wünscht Du Dir?“

Durch Zufall bin ich auf die Blogparade von Eva Ihnenfeldt vom Unternehmensnetzwerk KMU-digital und ihrem Blog SteadyNews gestoßen. Die Blogparade beschäftigt sich mit dem Thema: „Was ist Besitz für Dich? Mehr Lust oder mehr Last?“. Tatsächlich ist dieses Thema aus mehreren Gesichtspunkten auch für mich im Digarbeit-Blog von Interesse und zwar unter dem Gesichtspunkt: „Welchen Stellenwert hat Besitz noch in Zeiten zunehmender Digitalisierung?“.

Welche Rolle spielt Besitz im Zeitalter der Digitalisierung?

Welche Rolle spielt Besitz im Zeitalter der Digitalisierung?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dazu die folgenden Überlegungen.

  1. Besitz wird zunehmend digital

Im Zeitalter zunehmender Digitalisierung wird mehr und mehr Besitz, der früher für mich wichtig war, ein rein digitales Gut: CDs und Bücher kaufe ich kaum noch, sondern nutze zum Hören von Musik kostenpflichtige Dienste wie Apple Music, Deezer oder Spotify. Oder ich konsumiere sie gleich auf kostenlosen Plattformen wie MySpace, Soundcloud oder natürlich YouTube. Längst ist ein großer Teil meiner CD-Sammlung im MP3-Format digitalisiert und befindet sich als ständiger Begleiter auf meinem iPhone.

Gleiches gilt für Bücher: Zwar habe ich immer noch eine große Büchersammlung zu Hause (als studierter Philosoph und Literaturwissenschaftler gehört sich das ja auch so J). Aber neue Bücher suche ich als erstes bei Audible, die dann ebenfalls als Hörbücher auf meinem iPhone mit auf jede Reise gehen. Und natürlich gibt es auch die diversen eReader wie Kindle u.a., die den Besitz von gedruckten Büchern auch für viele Menschen inzwischen überflüssig macht.

Ach ja: Und in Sachen Videos gibt es auch kaum DVDs oder BlueRays in meinem Besitz. Dank Amazon Video, UnityMedia Kabelanschluss und unzählig frei verfügbaren YouTube Video Clips sind eine riesige Menge an Filmen kostengünstig verfügbar, sodass es einfach keinen echten Sinn mehr macht, Filme auf digitalen Datenträgern zu kaufen. Dank der Cloud ist auch hier die Auswahl riesig. Besitz wird also digital.

Und will ich dann doch mal eine CD, ein Buch oder Video „besitzen“, dann wird dieser Besitz tatsächlich zu etwas ganz besonderem. Die Vielzahl an digitalem „Besitz“ wertet den real-haptischen Besitz sogar noch auf.

  1. Besitz wird zunehmend temporär

Wenn ich zurück denke, so habe ich in 45 Jahren in 10 Häusern oder Wohnungen dauerhaft – heißt für mindestens 1 Jahr – gelebt: teils zur Miete, teils im Eigenbesitz. Macht alle 4,5 Jahre ein Umzug. Und dabei würde ich mich als durchaus konstanten Menschen bezeichnen, der allerdings durch Studium und Arbeit diverse Lebensmittelpunkte besessen hat. Bedeutet: Zunehmende Mobilität macht Besitz deutlich weniger wichtig. Im Gegenteil: er hätte mich daran behindert, während meiner Studienzeit flexibel meine Lebensmittelpunkte wählen und verändern zu können. Lebensräume werden zu „Lebensabschnittsräumen“, die sich flexibel den aktuellen Lebensumständen anpassen können sollten. Aktuell wohne ich mit meiner Familie in einem Eigentumshaus, aber in wenigen Jahren, „wenn die Kinder aus dem Haus sind“, wird dieses Haus sicherlich wieder gegen eine kleinere Wohnung eingetauscht. Besitz wird also temporär.

Und durch die Digitalisierung wird diese Entwicklung noch zunehmen: wie oben beschrieben werden Bücher und Filme nur genutzt, nicht besessen. Sie werden also lediglich temporär verwendet, anstatt dauerhaft im eigenen Besitz zu sein. Gleiches gilt für andere Dinge: unter www.meine-ernte.de können Stadtbewohner einen Garten für eine Saison nutzen – Saatgut inklusive. Auf https://www.meinespielzeugkiste.de können Eltern für eine bestimmte Zeit Spielzeug für Ihre Kinder mieten. Und selbst Kunstwerke können unter http://www.littlevangogh.de oder http://www.artgoespublic.de für eine bestimmte Zeit gemietet statt gekauft werden. Das Internet als Vermittlungsplattform macht solche Geschäftsmodelle möglich – und echtes „Besitzen“ überflüssig.

Und selbst Geld kann temporär den Besitzer wechseln: dank Plattformen wie https://www.kiva.org/, https://www.zidisha.org/ oder http://www.myc4.com  werden Mikrokredite von Privat zu Privat möglich. Besitzer von Bargeld können so sinnvolle Projekte in Entwicklungsländern durch das temporäre Nicht-Besitzen ihrer Barmitteln fördern und Gutes tun.

  1. Besitz wird zunehmend shareable

Ich gebe es zu: Auch ich träume davon, ein eigenes kleines Häuschen am Meer zu besitzen. Allerdings sprechen viel zu viele Gründe gegen eine solche Anschaffung: Im Zeitalter von Plattformen wie AirBnB sind unzählig viele Immobilien an unzählig vielen attraktiven Orten für einen kurzen Zeitpunkt verfügbar. Hier bedeutet auf Besitz zu verzichten: völlige Flexibilität bei der Wahl des Traumzieles und zudem eine deutlich geringere Komplexität und niedrigere Kosten, als bei der Anschaffung einer eigenen Immobilie im Süden.

Und gleiches wird in Zukunft wahrscheinlich für eine ganze Menge anderer Dinge gelten: Wer will sich um ein eigenes Auto kümmern, um die Anschaffung, Wartung und Pflege, wenn CarSharing-Plattformen wie Car2Go, Flinkster oder CarUnity mit wenigen Klicks jedem das passende Auto zur Verfügung stellen können.

Ich habe nicht nachgeschaut, aber es gibt sie wahrscheinlich schon: Plattformen, auf denen neben Häusern und Autos auch Yachten, Pferde oder Schmuck gemietet werden können und von Privatpersonen geteilt werden.

Nur eines habe ich jetzt doch schnell mal recherchiert: ob es eine Mietlösung für Gitarren gibt – und natürlich gibt es auch die! Unter https://www.leihinstrumente.de/ oder http://www.myinstruments.de/ können Musiker temporär Musikequipment leihen. Und unter http://www.teilo.de/ können auch Privatpersonen alle möglichen Dinge mieten und vermieten – darunter auch Musikinstrumente. Vielleicht werde ich meine nächste Gitarre also tatsächlich mal leihen, anstatt zu kaufen. Und könnte im Umkehrschluss eine meiner Gitarren vermieten? Ein interessanter Gedanke – Besitz wird also tatsächlich shareable – der zunehmenden Digitalisierung sei Dank.

P.S. Ein Post Scriptum sei noch gestattet: Mir ist natürlich klar, dass sich der Umstand des „Besitzens“ in der Internet-Ökonomie und durch die zunehmende Digitalisierung nicht wirklich radikal verändert, weil als Grundbedingung der digitalen Nutzung von „digitale assets“ immer noch der monitäre Aspekt die entscheidende Rolle spielt. Die Frage: Habe ich genug Geld, um mir all diese digitalen Services mit ihren Subskriptions-Preisen zu leisten, wird weiterhin eine ganz entscheidende Rolle spielen. Es ist also kein Verzicht, wenn digitale Angebote zu einem temporären und teilbaren Konsumverhalten führen werden. Eher das Privileg einer digitalen Avantgarde.

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One Responseso far.

  1. […] Jörg Wassink geht in seinem Beitrag ganz konkret darauf ein, wie wir vom „Besitzenden“ im digitalen Zeitalter immer mehr zum „Leihenden“ bzw. „Mietetendem“ und „Streamendem“ werden. Digitale Formate erlauben uns, auf materiellen Besitz weitgehend zu verzichten – doch führt das in eine neue Zwei-Klassen-Gesellschaft von vermögend Konsumierenden und denen, die sich digitalen Komfort nicht erlauben können? Danke für den nachdenkenswerten Beitrag – wirklich sehr lesenswert! Jörg Wassink: Besitz […]

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